Kostensparen ja – aber nicht auf dem Buckel der Leistungserbringer
Gesundheitspolitik mit dem Zweihänder
Ja, es gibt einen Kostenanstieg im Gesundheitswesen. Den bestreitet niemand. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Zusammenhänge komplex. Der Kostenanstieg hat viele Ursachen, die Löhne der Ärzteschaft gehören nicht dazu. Sicher ist: Die Löhne der Ärzteschaft stagnieren seit mehr als 20 Jahren oder sind sogar rückläufig. Trotzdem wird über die Leistungserbringer so geredet, als wären sie die Hauptschuldigen, die es jetzt endlich an die Kandare zu nehmen gilt.
Solche Aussagen zeugen von der Unkenntnis der Materie. Es liegt in der Verantwortung der Politik, dass die Krankenkassenprämien seit Jahren fast doppelt so stark ansteigen wie die Kosten. Sie hat sich für den Finanzierungsmodus entschieden, den wir heute haben, mit (hohen) Kopfprämien und einer Trennung von ambulantem und stationärem Bereich. Die einheitliche Finanzierung beider, genannt EFAS, würde hier Abhilfe schaffen, aber die Kantone wieder mehr belasten. Es harzt auch an dieser Front.
Die Politik will also vor allem eines: Kosten sparen, und zwar ausschliesslich auf dem Buckel der Leistungserbringer. Kreative Ideen aber fehlen, und vor allem fehlt der Mut, etwas zu wagen oder nur schon mit den willigen Reformpartnern nach mehrheitsfähigen Lösungen zu suchen. Stattdessen stärkt man mit der Nichtgenehmigung von TARDOC und dem lauwarmen Gerede von Pauschalen im ambulanten Bereich ausgerechnet jene, die die Tarifpartnerschaft mit Füssen treten und sämtliche Reformvorhaben seit 20 Jahren blockieren: Santésuisse, der Verband übrigens, der im ambulanten Tarif nur noch eine Minderheit der Versicherten vertritt.
Zielkonflikte sind systeminhärent
Als Prämien- und Steuerzahlende wollen wir alle lieber weniger bezahlen. Als Patientinnen und Angehörige wollen wir die bestmögliche Behandlung, möglichst sofort. Wir wollen profitieren von den immensen medizinischen Fortschritten, unverzüglich, und wir wollen eine Versorgung, die überall jederzeit für alle zugänglich ist. Wer als ärztliche oder nicht ärztliche Leistungserbringerin im Gesundheitswesen für die Gesundheit ebendieser Patienten arbeitet, möchte aber auch einen zeitgemässen Lohn, faire Arbeitsbedingungen und tragbare Dienstbelastungen.
All diese Ziele sind nicht einfach zu vereinen. Es ist deshalb reichlich billig, die Diskussion nur aus einer Kostenoptik zu führen, wie das jetzt wieder, gerade in dieser Session, passiert. Geradezu absurd wird es, wenn die nationalrätliche Gesundheitskommission zum Zweihänder greift und mit ihrem jüngsten Kommissions-Postulat Tarmed-Kürzungen bei Leistungserbringern verlangt, um im Tarifstreit Druck auf die Tarifpartner zu machen, notabene auf die Ärzteschaft, welche sich kooperativ auf Verhandlungen eingelassen hat. Andererseits werden den Kooperationsunwilligen alle Türen offen gehalten. Diese einseitige Bestrafungslogik zeugt von einer erschreckenden Geringschätzung gegenüber all jenen, die sich tagtäglich für die Patientinnen und Patienten einsetzen.
Wer Kostenziele setzt, muss auch Verantwortung übernehmen
Die Politik entscheidet, was von wem bezahlt werden soll. Die Festlegung von Zielen ist dabei unabdingbar und auch richtig, aber: Was soll denn erreicht werden? Wie wird das finanziert? Und wo machen wir Abstriche? Kluge Lösungen zu finden, ist die Aufgabe der Politik. Das gelingt aber nur, wenn Vorschläge wenigstens annähernd der Komplexität gerecht werden. Einfach eine Kostendeckelung, welcher Art auch immer, zu fordern ist nicht nur unklug, sondern ein billiges Abschieben der Verantwortung an die Leistungserbringer. Ziele formulieren ja, Kosten monitorisieren ja, aber zu undifferenzierten Kostendeckelungen und Tarifanpassungen mit dem Zweihänder sagen wir nein.