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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

Lesedauer ca. 4 Min.

Pandemie, Kostendämpfung, Tabakprävention – aber konkret?

Alle wissen es, aber keiner tut etwas

Pandemie, Kostendämpfung, Tabakprävention – aber konkret?

Die 51. Legislatur des Eidgenössischen Parlaments neigt sich langsam dem Ende zu. Bilanz ziehen ist im Moment weniger angesagt, weil die Wahllisten und Kandidaturen aufgestellt und beworben sowie heiss diskutiert werden. Somit steht die Zukunft, die nächste Legislatur im Zentrum der Politwelt. Für uns als politischer Berufsverband stellen sich jedoch aktuell folgende Fragen: Was wurde erreicht, was fehlt und was muss sich in der nächsten Legislatur dringend verbessern?

Für die Wahlen 2019 hatten sich SP und CVP die Gesundheitspolitik als Wahlkampfschlager ausgesucht, mit der Prämienentlastungs- und der Kostenbremse-Initiative. Beide Initiativen konnten eingereicht werden und sind noch immer im parlamentarischen Prozess hängig. Realistisch zu erwarten sind neu Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungserbringer, dies ohne jede Verpflichtung oder Sanktion. Eine administrativ aufwändige Trockenübung… Immerhin ist bei den Prämienverbilligungen ein Schritt zu erwarten: Die Kantone werden wohl gezwungen, mehr Mittel zu investieren, der Bund dürfte ebenfalls mehr Geld in die Hand nehmen. Hauptziel hier: die Verhinderung der Volksabstimmung mittels eines minimalen Trostpflasters.

Bereits unmittelbar vor den Wahlen war die Volksinitiative „Kinder ohne Tabak“ eingereicht worden, mit beachtlicher Schützenhilfe von mfe. Sie hatte im September 2019 einen direkten Effekt auf die zweite Version des Tabakproduktegesetzes und führte im Ständerat zu wesentlichen Verschärfungen des Gesetzes. Das liess für die Beratungen mit dem neuen Parlament hoffen. 

Bis die Pandemie kam, und vieles über den Haufen warf. Das Parlament ergriff Mitte März 2020 die Flucht und überliess dem Bundesrat die Bühne. mfe versuchte, die Notrechtsmassnahmen von Bund und Kantonen für die Mitglieder aufzubereiten, was mehr schlecht als recht gelang, wurden doch die Grundversorger über weite Strecken kaum einbezogen. Auf der kantonalen Ebene gelang das besser, vielfach tauschten sich Kantonsärzte mit den Haus- und Kinderärzten wöchentlich online aus. 

Mit der Impfphase normalisierte sich die Situation, auch wenn um jeden Rappen Entschädigung gestritten werden musste. Die grossen Impf- und Testzentren erblickten das Licht der Welt, das Geld floss dorthin. Im Gegenzug war das Wort Kostendämpfung das Schlagwort des Bundesrates. Ab der ersten Botschaft im August 2019 investierte die Gesundheitspolitik Abertausende von Stunden in die Phasen 1a, 1b, 2 und in den Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative. Gebracht hat es: wenig.

Das alte Lied ist auch das neue Lied, für den Prämienherbst werden wieder 7% mehr Prämien veranschlagt. Auch die Prävention fand keine Gnade im Parlament, die Volksinitiative „Kinder ohne Tabak“ musste an der Urne gewonnen werden. Die Milchbüchlein-Rechnung, mit der Bekämpfung des Public-Health-Problems Nummer 1, dem Tabak, etwas für die Gesundheit der Bevölkerung und damit auch gegen steigende Kosten zu unternehmen, war unter dem Druck der Werbe- und Tabaklobby zu schwierig für die Parlamentsmehrheit. Die neue Legislatur bietet eine neue Chance, die Volksinitiative muss jetzt umgesetzt werden.

Was steht in den nächsten vier Jahren noch an?

mfe hat in den letzten vier Jahren unter dem Titel „Das Rezept für eine gesunde Schweiz“ laufend darauf hingewiesen, wie effizient und robust die medizinische Grundversorgung (noch) ist. Aber mit der 4. Workforce-Studie 2020 ist gleichzeitig klar, dass es fünf vor zwölf ist: Der Nachwuchs fehlt an allen Ecken und Enden. Es braucht nun auch stärkere, kurzfristige Massnahmen für den Erhalt des ambulanten Grundversorgungsteppichs: den neuen Tarif (TARDOC), höhere Taxpunktwerte und Fördermassnahmen am Studienende, um die Medizin-Studierenden an den richtigen Ort zu bringen. Zwar werden wir 2024 die dank der Hausarztinitiative angestossene Erhöhung der Medizinstudienplätze von 850 auf 1350 erreicht haben. Doch in der haus- und kinderärztlichen Praxis sind diese Studierenden noch lange nicht! Hunderte von Mitgliedern, viele weit über dem Pensionsalter, geben jedes Jahr ihre Praxen auf. Die Babyboomer-Generation verabschiedet sich aus der Grundversorgung. Ein Schnellschuss wie im März, für die erleichtere Zulassung ausländischer praktischer Ärzten, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Darum wird mfe mit allen Mitteln seinen neuen Masterplan Nachwuchsförderung in den politischen Prozess einspeisen, zusammen mit allen Partnergesellschaften der Grundversorgung. 

Ob unsere Ideen und das eine oder andere Parteiprogramm für die Wahlen kompatibel sind, werden wir spätestens am 21. September in Zürich erfahren. Wir laden im Rahmen des SGAIM Herbstkongresses zum Wahlpodium ein, im Kongresshaus.