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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz

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Nachwuchs fördern: Der Schlüssel zur Zukunft der Haus- und Kinderarztmedizin

Impuls

Nachwuchs fördern: Der Schlüssel zur Zukunft der Haus- und Kinderarztmedizin

Was muss sich jetzt ändern? Ein wichtiger Teil der Lösung liegt in der gezielten Förderung des Nachwuchses. In der Ausbildung bestehen viele ungenutzte Potenziale, um die Attraktivität der Hausarztmedizin zu steigern. Diese Möglichkeiten müssen nun genutzt werden, um die Haus- und Kinderarztmedizin zu stärken.

Die aktuelle Workforce-Studie zeigt sowohl erfreuliche wie auch bedenkliche Tendenzen. Viele Entwicklungen, die bereits vor Jahren sichtbar wurden, setzen sich leider fort und werfen für die Zukunft wichtige Fragen auf. 

Eine der markantesten Veränderungen betrifft die Arbeitszeit: Die durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden nehmen kontinuierlich ab. Dies ist Ausdruck einer zunehmenden Teilzeitarbeit, die oft in familiären Jobsharing-Modellen organisiert wird. Während diese Modelle der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben entgegenkommen, verstärken sie gleichzeitig die strukturellen Probleme im Bereich der Versorgungskapazität.

Parallel dazu fällt auf, dass die Zeit pro Konsultation abnimmt. Ob dies Ausdruck einer steigenden Effizienz ist oder schlicht ein Hinweis darauf, dass den Ärzt:innen die notwendige Zeit fehlt, bleibt offen. Die Sorge, dass die Qualität darunter leiden könnte, ist aber allgegenwärtig.

Trotz aller Massnahmen ist es bisher nicht gelungen, eine Entspannung herbeizuführen. Im Gegenteil: Der Engpass verschärft sich weiter. Bis 2030 müssen rund ein Drittel der heute tätigen Grundversorgenden ersetzt werden. Diese Zahl verdeutlicht die Dringlichkeit, mit der gehandelt werden muss. Ohne gezielte Nachwuchsförderung wird die Sicherstellung der Grundversorgung ernsthaft gefährdet.

Früh begeistern, dauerhaft gewinnen: Der Schlüssel zur Haus- und Kinderarztmedizin

Die aktuelle Workforce-Studie belegt, dass in der Nachwuchsförderung zentrale Hebel bestehen, die genutzt werden müssen. Dazu gehört eine ausreichende Anzahl von Studienplätzen. Die in den letzten Jahren eingeleiteten Massnahmen gehen in die richtige Richtung, müssen aber konsequent weiterverfolgt werden. 

Wichtig ist zudem, dass der Kontakt zur Grundversorgung frühzeitig etabliert wird, idealerweise bereits ab Studienbeginn. Studiengänge sollten so aufgebaut sein, dass die Hausarztmedizin während des gesamten Studienganges sichtbar und attraktiv bleibt. Praktika während der Aus- und Weiterbildung haben sich als sehr wirksam erwiesen, um das Interesse an der Grundversorgung zu wecken. Viele angehende Ärzt:innen, die solche Erfahrungen gemacht haben, können sich eine berufliche Zukunft in diesem Bereich vorstellen.

Ein besonders wichtiges Instrument ist zudem die Praxisassistenz. Sie muss auf allen Ebenen konsequent gefördert werden: in den Weiterbildungsverordnungen, bei der Schaffung einfacher Zugänge sowie durch attraktive Rahmenbedingungen für die Weiterbildungspraxen. Neben der finanziellen Unterstützung sind auch eine gute regionale Koordination und eine unbürokratische Organisation zentral.

Vom Start an überzeugt: Warum gute Rahmenbedingungen den Ausschlag geben

Gleichzeitig muss die Arbeit in der Grundversorgungspraxis attraktiver werden. Dazu gehört der Abbau unnötiger Bürokratie und eine  sinnvolle Digitalisierung. Viele Daten liegen bereits digital in den Praxisinformationssystemen vor, doch fehlt es an einer effizienten, automatisierten Schnittstelle zum Austausch zwischen Institutionen und Leistungserbringenden. Hier besteht leider weiterhin ein erheblicher Nachholbedarf. Das Potenzial, das in einer gut funktionierenden, vernetzten digitalen Infrastruktur liegen würde, bleibt damit ungenutzt.

Ein anhaltender Trend ist die zunehmende Verbreitung von Gruppenpraxismodellen. Diese Strukturen erlauben flexiblere Arbeitszeiten, eine bessere interne Zusammenarbeit und eine Entlastung im Praxisalltag. Auch dieser Aspekt ist ein wichtiger Faktor, damit unser Beruf attraktiv bleibt.

Auch die Tarifrevision ist ein Schlüsselfaktor. Sie muss aber die erhofften Effekte zeitnah zeigen, um die Attraktivität der Grundversorgung zu steigern. Eine enge Begleitung des Einführungsprozesses und eine kontinuierliche Evaluation sind nötig, um Fehlentwicklungen sofort korrigieren zu können.

Nicht zuletzt ist die Vernetzungsarbeit von grosser Bedeutung. Ärzt:innen, Spitäler, Weiterbildungseinrichtungen, Politik und Verwaltung müssen gemeinsam an nachhaltigen Lösungen arbeiten. Damit Vernetzung attraktiv und effizient bleibt, braucht es klare Strukturen, eine verlässliche Koordination und einen spürbaren Nutzen für alle Beteiligten.

Sofort und koordiniert handeln – Grundversorgung sichern

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Grundversorgung in der Schweiz weiterhin vor grossen Herausforderungen steht. Die Arbeitsbedingungen verändern sich, die administrativen Belastungen steigen, die Konsultationszeiten sinken und die Zahl der Grundversorgenden reicht mittelfristig nicht aus, um den Bedarf zu decken. 

Zwar gibt es positive Entwicklungen – etwa die zunehmende Verbreitung von Gruppenpraxen oder die frühe Nachwuchsförderung durch Praktika und Praxisassistenzprogramme –, doch sind diese bislang nicht stark genug, um die Versorgungslücke zu schliessen. 

Entscheidend wird sein, dass die verschiedenen Massnahmen aufeinander abgestimmt, konsequent umgesetzt und eng begleitet werden. Nur so kann es gelingen, die Attraktivität der Grundversorgung zu steigern, den Nachwuchs zu sichern und die medizinische Versorgung der Bevölkerung auch langfristig auf hohem Niveau zu gewährleisten.